Was bringt frühkindlicher Fremdsprachenunterricht?
In der modernen Arbeitswelt, die über den ganzen Globus hinweg immer enger zusammenwächst, führt an Fremdsprachenkenntnissen kaum ein Weg vorbei. Mit dieser Anforderung sehen sich schon die Kleinsten konfrontiert. So steht schon in der Grundschule Englisch auf dem Stundenplan. Neben Vokabeln und Grammatik wird stundenlang die für unsere Zungen oft etwas schwierige Aussprache des „the“ geübt.
Aber ist es überhaupt sinnvoll, dass kleine Kinder eine neue Sprache lernen, obwohl viele von ihnen ihre Muttersprache noch gar nicht richtig sprechen, geschweige denn schreiben können? Was bringt frühkindlicher Fremdsprachenunterricht wirklich?:
Inhalt
Studie zum frühen Fremdsprachenunterricht
Ob Matheformeln, ein Musikinstrument, eine Sportart, eine handwerkliche Arbeit oder eben eine Fremdsprache: Wenn es darum geht, etwas Neues zu lernen, galt lange Zeit das Motto „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“.
Nach wie vor geht die Wissenschaft davon aus, dass das menschliche Gehirn neue Strukturen und Fähigkeiten umso schneller erfassen und umsetzen kann, je jünger wir sind.
Und für viele Fertigkeiten haben Studien auch bewiesen, dass kleine Kinder älteren Erwachsenen beim Erlernen überlegen sind.
Deshalb haben die Bundesländer ihre Kernlehrpläne umgestellt und den Englischunterricht bereits in die Grundschule integriert. Teilweise fangen die Kinder sogar schon in der Vorschule damit an, Englisch zu lernen.
Eine Langzeitstudie der Universität Zürich wollte es aber genauer wissen. Ergeben sich tatsächlich Vorteile durch frühen Fremdsprachenunterricht? Oder bringt das frühzeitige Erlernen einer Fremdsprache sogar Nachteile mit sich?
Das übergeordnete Ziel der Studie bestand darin, das optimale Alter für das Erlernen einer Fremdsprache herauszufinden. Das Forschungsteam interessierte, ob sich bewahrheitet, dass je früher, desto besser ist.
Oder ob es nicht wichtiger ist, die deutsche Sprache in Wort und Schrift sicher zu beherrschen, damit eine solide Basis gegeben ist, um auch in der Fremdsprache gute Lese- und Schreibkompetenzen zu entwickeln.
Denn die Forscher nahmen an, dass die Schriftsprache das Erlernen der Fremdsprache zunehmend beeinflusst, wenn die Muttersprache bereits gut verwurzelt ist.
Überraschende Ergebnisse
Für die Studie wählte das Team nach dem Zufallsprinzip 200 Gymnasiast:innen im Kanton Zürich aus und testete die Schüler:innen am Anfang ihrer Schulzeit und am Ende der Oberstufe.
Dabei hatte eine Schülergruppe während der Grundschule im Alter von acht Jahren mit dem Fremdsprachenunterricht begonnen. Die Schüler:innen der anderen Gruppe starteten erst in der Sekundarstufe im Alter von 13 Jahren mit dem Erlernen der Fremdsprache.
Die Ergebnisse der Studie waren zwar überraschend, aber eindeutig.
So zeigte sich, anders als erwartet, dass die Schüler:innen, die schon in jungen Jahren mit dem Erlernen der Fremdsprache begonnen hatten, langfristig nicht im Vorteil waren. Tatsächlich gab es vorübergehend sogar nachteilige Auswirkungen auf die Muttersprache.
Noch erstaunlicher ist, dass die Schüler:innen, die später in den Fremdsprachenunterricht eingestiegen waren, die Schüler:innen aus der ersten Gruppe nach gerade einmal sechs Monaten in vielen Bereichen nicht nur eingeholt, sondern teilweise sogar übertroffen hatten.
Zu diesen Bereichen gehörten die richtige Anwendung der Grammatik, die grammatikalische Komplexität, die Beurteilung der Grammatikalität und der Sprachfluss.
Auch was die Inhalte und die Struktur des schriftlichen Ausdrucksvermögens anging, hatte die zweite Gruppe die Nase vorn.
Nur beim Wortschatz schnitten die Schüler:innen, die die Fremdsprache früher lernten, besser ab. Aber auch dieser Unterschied löste sich im Laufe der Zeit in Luft auf.
Denn als das Forschungsteam die Erhebung der Daten kurz vor dem Abitur wiederholte, waren keinerlei Unterschiede mehr dahingehend festzustellen, ob die Schüler:innen früher oder später mit dem Fremdsprachenunterricht angefangen hatten.
Muttersprache zunächst wichtiger
Das Forschungsteam erklärt sich die Ergebnisse damit, dass eine gute Grundlage der deutschen Sprache erforderlich ist, um dann von der Muttersprache aus Englisch, Französisch, Spanisch oder eine andere Sprache zu lernen.
Diese Basis ist zu Beginn der Sekundarstufe wesentlich besser ausgebildet als in der Grundschule oder noch früher.
Jemand, der seine Muttersprache sicher beherrscht, kann diese Sprachkenntnisse besser anwenden und übertragen, wenn er eine Fremdsprache lernt. Das gilt unabhängig vom biologischen Alter oder dem Altern bei Lernbeginn.
Dass wir im Alter keine neuen Sprachen mehr lernen können, ist als Ausrede durch die Studienergebnisse also vom Tisch. Aber wir wissen damit auch, dass keine Notwendigkeit besteht, dass Kinder schon im Kindergarten damit anfangen, Englisch oder andere Fremdsprachen zu lernen.
Sie verpassen nichts und haben keine langfristigen Nachteile, wenn sie erst als Teenager mit dem Fremdsprachenunterricht beginnen.
Diese Erkenntnis nimmt viel Leistungsdruck von Eltern und Kindern und eröffnet den Kleinen gleichzeitig wieder mehr Raum, die Welt um sich herum spielend zu entdecken.
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