Wie kommt Kindern frühe Mehrsprachigkeit zugute? 2. Teil

Wie kommt Kindern frühe Mehrsprachigkeit zugute? 2. Teil

Viele Kinder wachsen von Anfang an mit zwei Sprachen auf. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Kinder in Deutschland geboren sind und Deutsch als Muttersprache haben, ihre Eltern aber aus einem anderen Land stammen und zu Hause ihre Heimatsprache sprechen. Es muss aber gar nicht unbedingt eine Fremdsprache sein. Kinder, die mit Hochdeutsch und einem Dialekt groß werden, gelten ebenfalls als mehrsprachig.

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Wie kommt Kindern frühe Mehrsprachigkeit zugute 2. Teil

Doch ist es überhaupt sinnvoll, dass Kinder schon früh zwei Sprachen lernen? Oder wäre es vielleicht besser, wenn sie erst einmal ihre Muttersprache richtig beherrschen, bevor sie mit einer Zweitsprache konfrontiert werden?

In einem zweiteiligen Beitrag klären wir die Frage, ob und wie Kindern frühe Mehrsprachigkeit zugutekommt. Hier ist der 2. Teil!:

Besseres Gefühl für Sprachen

Frühe Mehrsprachigkeit führt nicht nur dazu, dass Kinder zwischen den verschiedenen Sprachen wechseln können und dabei ihr Gehirn trainieren. Stattdessen machen sich die Kinder früh damit vertraut, dass Sprachen vielfältig sind und ihre Besonderheiten haben.

Die Kinder stellen zum Beispiel fest, dass jede Sprache ihre eigenen Grammatikregeln hat. Sie erkennen, dass Sätze unterschiedlich gebildet werden, verschiedene Zeitformen zum Einsatz kommen oder eine Sprache nur einen Artikel hat, während es in einer anderen Sprache zwei oder drei Artikel gibt.

Dieses Wissen trägt dazu bei, dass es den Kindern später auch leichter fällt, weitere Sprachen zu lernen.

Daneben hilft frühe Mehrsprachigkeit dabei, Informationen von einer Sprache auf eine andere Sprache zu übertragen. Kennt ein Kind zum Beispiel das deutsche Wort „Brot“, kann es einfacher ableiten, was das englische Wort „bread“ bedeutet.

Weiß das Kind hingegen nicht, wie „Brot“ etwa auf Türkisch oder Polnisch heißt, wird es seine Eltern danach fragen. Auf diese Weise erweitert sich der Wortschatz stetig.

Gleichzeitig nutzen mehrsprachige Kinder die Sprache oft kreativer. Denn sie kommen immer wieder in die Situation, dass sie ein Wort nur in einer Sprache kennen und den Begriff in der Zweitsprache deshalb umschreiben müssen.

Offenere Haltung

Durch die Mehrsprachigkeit können Kinder an vielen Gesprächen teilnehmen und gleichzeitig die Perspektive wechseln. Ein Experiment von Forschern der Universität von Chicago hat gezeigt, dass mehrsprachige Kinder schon ab einem Alter von zwei Jahren in der Lage sind, sich besser in andere Personen hineinzuversetzen.

Die Forscher führen diese Fähigkeit darauf zurück, dass die Kinder im Alltag daran gewöhnt sind, verschiedene Sprachen zu hören und zu nutzen.

Hinzu kommt, dass die Kinder die Kulturen hinter den Sprachen besser kennenlernen. Auch wenn die Kinder nicht in dem Land leben, in dem die Sprache gesprochen wird, fühlen sie sich stärker mit der Kultur verbunden.

Dieses Bewusstsein macht die Kinder offener für fremde Länder und neue Kulturen. Gleichzeitig sind sie oft motivierter, zusätzliche Fremdsprachen zu lernen. Je weltoffener jemand ist und je mehr Sprachen er spricht, desto leichter fällt es ihm, international zu denken, zu arbeiten und zu leben.

Die richtige Umsetzung der Mehrsprachigkeit

Nicht jedes Kind kann von den Vorteilen einer frühen Mehrsprachigkeit profitieren, die wir genannt haben. Denn es kommt immer auf die Art an, wie Kinder die beiden Sprachen lernen.

Wichtig ist die sprachliche Anregung. Sprechen die Eltern insgesamt eher wenig mit dem Kind und verbessern sie es nicht, wenn es Fehler macht, oder beantworten sie seine Fragen nicht, kann sich das negativ auf die Sprachentwicklung auswirken.

Experten empfehlen für Kinder, die zweisprachig aufwachsen, dass regelmäßig und konsequent beide Sprachen benutzt werden sollten. Dabei sollten die Eltern hauptsächlich in ihrer jeweiligen Muttersprache kommunizieren, um sicherzustellen, dass sie die Sprache korrekt vermitteln.

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Ist der Vater zum Beispiel deutschsprachig aufgewachsen, sollte er mit seinem Kind immer Deutsch sprechen, während die aus Frankreich stammende Mutter auf Französisch kommunizieren sollte.

Eine andere Möglichkeit ist, die Sprachen situationsabhängig zu wechseln. So kann zum Beispiel beim Spielen ausschließlich Französisch und beim Einkaufen immer nur Deutsch gesprochen werden.

Wichtig ist in erster Linie, die Sprachen möglichst nicht miteinander zu vermischen. Eine klare Struktur hilft dem Kind dabei, die beiden Sprachen deutlich voneinander zu unterscheiden.

Trotzdem sollten die Eltern versuchen, möglichst viele Wörter in beiden Sprachen zu verwenden, damit sich das Kind in beiden Sprachen über verschiedene Themen unterhalten kann.

Allerdings gehen Experten davon aus, dass eine mehrsprachige Erziehung nur dann funktioniert, wenn die Kinder eine emotionale Bindung zu den Sprachen aufbauen. Sie sollten Spaß daran haben und sich gut dabei fühlen, beide Sprachen zu verwenden.

Das gelingt, wenn die Eltern oder Großeltern ruhig mit den Kindern sprechen. Ein spielerisches Üben mit Reimen, Kinderbüchern oder Liedern kann ebenfalls helfen.

Üben die Eltern hingegen Druck aus, bestehen sie entgegen dem Willen des Kindes auf die Zweitsprache oder werden sie schnell ungeduldig, können sie eine Verweigerungshaltung hervorrufen.

Wie kommt Kindern frühe Mehrsprachigkeit zugute 2. Teil (1)

Mögliche Nachteile durch frühe Mehrsprachigkeit

Auch wenn die Eltern alles richtig machen und sich bei der Spracherziehung viel Mühe geben, kann eine frühe Mehrsprachigkeit zumindest anfangs Probleme bereiten.

Im Unterschied zu Kindern, die einsprachig aufgewachsen sind, beherrschen zweisprachige Kinder meistens weniger Wörter in beiden Sprachen und verwenden öfter unpassende Vokabeln.

Wenn sie in die Schule kommen, machen sie häufig mehr Grammatikfehler. Diese Lücken müssen bei den Kindern dann in beiden Sprachen geschlossen werden, was bei zwei Sprachen natürlich aufwändiger und schwieriger sein kann als bei nur einer Sprache.

Daneben neigen einige mehrsprachige Kinder dazu, die Sprachen und deren Grammatik miteinander zu mischen und in Gesprächen ständig hin- und herzuwechseln.

Das kann dazu führen, dass eine reibungslose Kommunikation nur mit den Eltern und Personen klappt, die beide Sprachen beherrschen. In der Schule hingegen kann es zu Verständnisproblemen kommen.

Manchmal werden mehrsprachige Kinder sogar ausgegrenzt, weil sie irgendwie „anders“ sind. In der Folge konzentrieren sich viele Kinder nur noch auf eine Sprache, während sie die andere Sprache vernachlässigen.

Eine weitere Problematik kann sich daraus ergeben, dass es den Kindern schwerfällt, beiden Kulturen gleichermaßen gerecht zu werden. Das passiert vor allem dann, wenn die Zweitsprache mit einer Kultur verbunden ist, die in Deutschland wenig Anerkennung findet.

Die Kinder sind dann zwischen ihren Wurzeln und dem Wunsch, hier dazuzugehören, hin- und hergerissen. Auch Dialekte bergen diese Gefahr. Schließlich gelten Personen, die einen Dialekt sprechen, oft als „provinzieller“.

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Marlies Giesa, Geboren 1968 , über viele Jahre im In- und Ausland Deutsch unterrichtet. Ich liebe die deutsche Sprache und möchte das Wissen gerne an Schüler, Ausländer, Studenten und Interessierten weitergeben. Ich hoffe meine Übungen und Anleitungen werden ihnen helfen oder sie unterstützen. Canel Gülcan, Studentin Lehramt Deutsch & Germanistik, Christian Gülcan als Betreiber der Webseite, verfasst auch diverse Artikel, da er als Online-Redakteur täglich mit der Erstellung von hilfreichen Content arbeitet für verschiedene Zielgruppen und lange Zeit auch aktiv in der Flüchtlingshilfe, sich um die Vermittlung von Deutschkursen kümmerte.

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