Deutschunterricht für Erwachsene – 10 Tipps, 3. Teil

Deutschunterricht für Erwachsene – 10 Tipps, 3. Teil

Sprachreisende, ausländische Fachkräfte, eingewanderte Familienmitglieder, Flüchtlinge, Asylsuchende: Deutschunterricht für Erwachsene hat verschiedene Zielgruppen. Doch ein entscheidender Punkt ist, dass Unterricht für Erwachsene anders funktioniert als Unterricht für Kinder. Denn Erwachsene lernen anders als Kinder und gehen anders an den Unterricht heran.

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Deutschunterricht für Erwachsene - 10 Tipps

Die gängigen Unterrichtsmethoden aus der Schule lassen sich deshalb nicht einfach so übertragen. Damit stellt sich aber die Frage, wie ein erwachsenengerechter Unterricht gestaltet werden kann. Wir haben dazu zehn Tipps zusammengetragen.

Hier ist der 3. und letzte Teil der Beitragsreihe!:

Tipp Nr. 8: Den Schülern genug Zeit lassen.

Schüler lernen nicht nur im Unterricht oder wenn sie das Erlernte im Tagesverlauf anwenden. Auch nachts, im Schlaf, geht der Lernprozess weiter. Denn das Gehirn nutzt diese Phase, um die Eindrücke und Erlebnisse des Tages zu verarbeiten, zu sortieren und abzuspeichern.

Andererseits funktioniert das Lernen nicht von heute auf morgen. Es dauert seine Zeit, bis sich Lernfortschritte bemerkbar machen. Wichtig ist deshalb, dass der Lehrer seinen Schülern die Zeit gibt, die sie jeweils brauchen.

Für den Deutschunterricht bedeutet das, dass der Lehrer

  • Geduld aufbringen sollte.
  • lieber etwas weniger Lernstoff durcharbeiten, diesen dafür aber ausführlicher behandeln und die Inhalte öfter wiederholen sollte.
  • berücksichtigen sollte, welche seiner Schüler schneller lernen und welche Schüler langsamer Fortschritte machen.
  • seine Schüler nicht drängen, sondern ihnen die Zeit geben sollte, die sie brauchen, um eine Antwort zu formulieren oder etwas zu schreiben.

Tipp Nr. 9: Nicht an der traditionellen Lehrerrolle festhalten.

Wer sich seine eigene Schulzeit ins Gedächtnis ruft, wird schnell feststellen, dass er verschiedene Unterrichtsarten und unterschiedliche Lehrertypen erlebt hat. Das Unterrichtsfach einmal außen vor gelassen, sollte der Lehrer für sich überlegen, bei welcher Form von Unterricht und welchen Lehrern er am meisten und am liebsten gelernt hat.

Und warum das so war. Diese Erkenntnisse kann er auf seinen eigenen Unterricht übertragen. Gleichzeitig sollte er versuchen, nicht nur Lehrer zu sein, sondern auch Moderator und Ansprechpartner.

Das kann gelingen, wenn der Lehrer  

  • sich immer wieder vor Augen führt, dass speziell bei seinen Schülern soziale Kompetenzen stärker ins Gewicht fallen als fachliche Kompetenzen. Denn für die Schüler geht es nicht nur darum, die deutsche Sprache zu lernen. Vielmehr möchten oder müssen sie im Land ankommen, hier Fuß fassen und sich im neuen Alltag zurechtfinden.
  • neben Geduld und Verständnis Einfühlungsvermögen zeigt und seinen Schülern ein Gefühl von Sicherheit vermittelt.
  • seine Aufgabe nicht in erster Linie darin sieht, vorne an der Tafel zu stehen und Informationen weiterzugeben. Das Ziel sollte vielmehr sein, seine Schüler dazu zu ermutigen, sich aktiv zu beteiligen und einzubringen. Nicht der Lehrer sollte im Mittelpunkt des Unterrichts stehen, sondern die Lernenden!
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Und nicht zuletzt sollte der Lehrer mit Freude und Humor unterrichten. Wenn er selbst keinen Spaß und wenig Lust auf den Deutschunterricht hat, wird er seine Schüler kaum motivieren können.

Tipp Nr. 10: Sich den Sinn und Zweck des Deutschunterrichts vor Augen führen.

Deutsch zu können, ist eine Grundvoraussetzung, um Deutsch zu unterrichten. Aber allein damit ist es längst nicht getan. Denn verglichen mit anderen Fächern wie zum Beispiel Mathe, Physik oder Erdkunde hat Sprachunterricht seine Besonderheiten. Und speziell der Deutschunterricht für Erwachsene verfolgt mehr Ziele als nur die reine Vermittlung von Sprachkenntnissen.

Im Deutschunterricht ist die deutsche Sprache der Lerngegenstand und gleichzeitig auch das Kommunikationsmittel. Damit unterscheidet sich der Unterricht von anderen Fächern. In Mathe beispielsweise geht es um Zahlen, Formeln und Rechenwege. Die Sprache dient hier als Instrument, um die Lerninhalte zu vermitteln.

Doch gerade weil im Deutschunterricht die Sprache Lernstoff und Kommunikationsmittel in einem ist, sind zumindest am Anfang die Möglichkeiten sehr eingeschränkt. Der Lehrer sollte sich vor Augen führen, wie es wäre, wenn er die ersten paar Male an Arabischunterricht teilnehmen würde und der Lehrer dort nur arabisch sprechen und seine Inhalte in arabischer Schrift an die Tafel schreiben würde. In einer ganz ähnlichen Situation befinden sich die meisten seiner Schüler.

Deshalb ist wichtig, dass der Lehrer am Anfang viel mit Gestik, Mimik, Bildern und konkreten Beispielen arbeitet. Denn rein theoretische Abhandlungen bringen den Schülern meist nicht sehr viel.

Ein anderer Punkt ist, dass Sprache nicht nur aus Grammatik und Vokabeln besteht. Stattdessen kommen viele verschiedene Dinge zusammen, angefangen bei der Aussprache bis hin zum Stil. Doch am Ende dient Sprache vor allem der Kommunikation. Das Ziel des Deutschunterrichts ist deshalb nicht, perfektes Schulbuch-Deutsch zu vermitteln. Es geht vielmehr darum, den Schülern die Fähigkeiten zu vermitteln, die sie brauchen, um im alltäglichen Leben auf Deutsch kommunizieren zu können.

Nicht zu vergessen ist, dass es im Deutschunterricht auch darum geht, die Schüler in die Kultur einzuführen und ihnen das Leben im neuen Land näherzubringen. Schon der Deutschunterricht folgt den Regeln und Normen, die in Deutschland üblich sind. Aber die Schüler kommen zum Teil aus Kulturen mit anderen Prinzipien und Wertvorstellungen. Für den Lehrer bedeutet das, dass er sich auch für solche Themen Zeit nehmen und vor allem ein Bewusstsein dafür entwickeln sollte.

Vor diesen Hintergründen wird klar, dass Deutschunterricht für Erwachsene komplexer ist, als es auf den ersten Blick vielleicht scheint. Aus diesem Grund sollte auch der Lehrer sein Wissen stetig erweitern und sich regelmäßig mit Kollegen austauschen.

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Marlies Giesa, Geboren 1968 , über viele Jahre im In- und Ausland Deutsch unterrichtet. Ich liebe die deutsche Sprache und möchte das Wissen gerne an Schüler, Ausländer, Studenten und Interessierten weitergeben. Ich hoffe meine Übungen und Anleitungen werden ihnen helfen oder sie unterstützen. Canel Gülcan, Studentin Lehramt Deutsch & Germanistik, Christian Gülcan als Betreiber der Webseite, verfasst auch diverse Artikel, da er als Online-Redakteur täglich mit der Erstellung von hilfreichen Content arbeitet für verschiedene Zielgruppen und lange Zeit auch aktiv in der Flüchtlingshilfe, sich um die Vermittlung von Deutschkursen kümmerte.

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